«Mach dich nicht so breit, Junge!»

«Dude, stop the spread, please», heisst es auf Schildern in der New Yorker U-Bahn. «Mach dich nicht so breit, Junge!» In Madrid machen Piktogramme darauf aufmerksam, dass breitbeiniges Sitzen unerwünscht ist. «Manspreading» heisst die Unart, wenn Männer sich breiter machen, als ihr Sitzplatz es erlaubt. Ein Phänomen, das auch Geschlechterforscher und Sozialwissenschaftler Dr. Paul Scheibelhofer von der Uni Innsbruck beschäftigt. In Katja Walders Pendler-Knigge erklärt Scheibelhofer in einem ausführlichen Interview, warum fast ausschliesslich Männer so viel Platz einnehmen. Hier ein Ausschnitt des Interviews:

Paul Scheibelhofer, was empfehlen Sie Frauen, die sich von breitbeinigen Nachbarn bedrängt fühlen?

Die gestellte Frage zeigt bereits ein Problem, das sich oftmals bei solch dominantem männlichen Verhalten zeigt: Es bürdet Frauen die Last auf, sich mit Lösungsstrategien auseinandersetzen zu müssen, für Probleme, die von Männern erzeugt werden. Ich empfehle folgende, aus der feministischen Selbstverteidigung entlehnte, dreistufige Strategie:

1. Teilen Sie dem Mann (laut, deutlich und nicht entschuldigend) mit, dass er zu viel Raum einnimmt. 2. Sagen Sie ihm, welche negativen Konsequenzen das für Sie hat, und schliessen Sie 3. mit einer klaren Aufforderung ab, wie er sein Verhalten ändern soll. Oft produziert schon die Tatsache, dass der Mann auf sein Verhalten öffentlich angesprochen wird, genügend Druck, dass er sich anders hinsetzt. Aber freilich gibt es auch hier negative Erfahrungen, wenn etwa Männer mit Drohungen und Schimpftiraden auf so eine klare Ansage und die Infragestellung ihres «entitlements» reagieren. Hier kann es helfen, die Öffentlichkeit solcher Situationen zu nutzen und andere Mitreisende miteinzubeziehen, die dann unterstützend wirken können. Jedenfalls wird in Anbetracht der möglichen negativen Reaktionen klar, wieso sich Frauen oftmals gegen die Auseinandersetzung entscheiden und dass es schlussendlich die Aufgabe der Männer sein muss, ihr eigenes Verhalten zu ändern.

Haben Sie einen Tipp für Männer, die künftig nicht mehr als Manspreader auffallen wollen? Wie «therapiert» man(n) sich selber?

Da Manspreaden glücklicherweise keine Krankheit ist, ist eine «Therapie» nicht nötig. Reflexion, ehrliche Selbstkritik, etwas Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Verhaltensänderung reichen aus. Wichtig ist dabei, einen neuen Blick auf sich selbst und die Umwelt zu entwickeln: Beobachten Sie das Verhalten von Männern im öffentlichen Raum, als würden Sie eine fremde Spezies erforschen. Betrachten Sie, wie sich diese Männer Raum nehmen und welche Situationen sie dadurch
für ihre Umwelt schaffen. Nun werfen Sie diesen «verfremdenden» Blick auf sich selbst. Analysieren Sie ihr eigenes Verhalten dahingehend, ob Sie ebenfalls – vielleicht unbewusst – durch Manspreading Raum auf Kosten anderer einnehmen. Ab hier ist es eigentlich ganz einfach: Sie können sich entscheiden, ob Sie weiterhin gemäss des männlichen «entitlements» agieren wollen oder Ihr Verhalten im Sinne einer geschlechtergerechteren Gesellschaft verändern.

(Auszug aus: «Der Pendler-Knigge»)